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Einführung: Lebenlauf / Literarische Erzeugnisse

Erste Sammlung: Brief I. / Brief II. / Brief III / Brief IV / Brief V / Brief VI / Brief VII / Brief VIII

Zweite Sammlung: Brief IX / Brief X / Brief XI / Brief XII / Brief XIII

Dritte Sammlung: Brief XIV / Brief XV / Brief XVI/Biographie

Ambrosius Bethmann Bernhardi (1756- 18o1)

Die literarischen Erzeugnisse von A.B. Bernhardi

Züge zu einem Gemälde des Russischen Reichs unter Catharina II.
gesammelt bey einem vieljährigen Aufenthalte in demselben. In vertrauten Briefen 1799.

Dritte und letzte Sammlung

Freyberg, 1807 bei Craz und Gerlach nebst einer Biographie des Verfassers.

Brief XIV - XVI

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Brief XVI.

Lebenslauf von A.B. Bernhardi, verfaßt von seinem Freunde M.S.G. Frisch. Er beinhaltet etwa die gleichen Angaben wie der bereits vorstehend abgedruckten Lebenslauf aus den Freyberger Nachrichten aus dem Jahre 1801

Ambrosius Bethmann Bernhardi, Gelehrter und Besitzer der Crazischen Buchhandlung zu Freyberg.
Geboren zu Freyberg den 18. Dezember 1756 -
Gestorben daselbst den 27. Oktober 1801.

--57-- Je seltener es ist, das jemanden an seinem Geburts- und Wohnort und überall, wohin ihn sein Beruf auf längere oder kürzere Zeit versetzt, die allgemeine Achtung zu Teil wird; desto pflichtmäßiger ist es, nach dem Tode eines solchen Mannes zu erzählen, auf welchem Weg er das ward, was ihn so rühmlich auszeichnete. Je mehr aber auch jemand die allgemeine Achtung genoss, um desto willkommener pflegen nach seinem Tode Nachrichten von seinem Leben zu sein.

--58-- Und indem so der Freund eines solchen Verstorbenen eine wichtige Pflicht erfüllt und seinem eignen Herzen genüge geleistet, kann er zugleich mehr als bei tausend anderen Beschäftigungen auf den Beifall des Publikums rechnen. Gewiss, man wird gern diese kurzen biographischen Nachrichten von Ambrosius Bethmann Bernhardi lesen, die ich mit dem Gefühl der Verpflichtung, zur Befriedigung meines Herzens und mit einem wehmütigen Vergnügen niederschreibe. Er war der zweite Sohn des im Jahr 1799 im hohen Alter verstorbenen, sehr rechtschaffenen und stillverdienten Acciskommissar und Bürgermeister zu Freyberg Gottfried Bethmann Bernhardi. So wenig gemeiniglich aus den Schuljahren eines Mannes angemerkt zu werden verdient; so kann ich doch folgendes nicht mit Stillschweigen übergehen.

--59-- Bernhardi hatte bei einem seiner ersten Lehrer einen Mangel an Übereinstimmung zwischen seinen Lehren und manchen Teilen seines Verhaltens wahrgenommen. So sehr er denselben sonst schätzte; so wahr ihm doch dieser zuwider, und das dieser Eindruck bei ihm tiefer gegangen und von besserer Wirkung auf sein eigenes Verhalten war, als es in dem Knabenalter zu geschehen pflegt, zeigte sich, wie Er in seinem 13ten Jahre in die dritte Klasse des hiesigen Gymnasium eingeführt ward. Bei dieser Gelegenheit hielt der damalige Tertius und nachher Konrektor M. Hübler eine kurze Anrede an Ihn, in welcher er Ihm mit derselben Gründlichkeit, Deutlichkeit und Kraft, welche den Unterricht und die Schriften dieses höchstverdienten Schulmannes charakterisieren, einige Grundsätze seines künftigen Verhaltens aufstellte. So wie dem jungen Bernhardi diese Grundsätze als richtig einleuchteten, so war es von diesem Augenblicke an sein Entschluss und Bestreben, sie zu befolgen und es geschah, wie viel Er auch deswegen in seinem bisherigen Betragen ändern mußte.

--60-- Zugleich hatte dieser Lehrer ein solches Ansehen bei Ihm erhalten, das Er alles über Ihn vermochte. Hierzu gehört auch, das Er ein andermal, ich weiss nicht durch wen? überzeugt worden; es sei Pflicht die Kirche fleißig zu besuchen und die Predigt mit Aufmerksamkeit anzuhören, und Er war von dieser Zeit an gewiss einer der fleißigsten und aufmerksamsten Zuhörer des verstorbenen Superintendent D. Richter, der damals noch Amtsprediger zu Nikolai war, und des ebenfalls verstorbenen Vesper Prediger M. Brause. Vielleicht war es, wenigstens zum Teil, dieses fleißige besuchen der Kirche, was sein Nachdenken frühzeitig auf die Lehren der Religion und der theologischen Systems lenkte und ihn antrieb, sich ernstlich und anhaltend damit zu beschäftigen, auch den Entschluss hervorbrachte, sich dem Studium der Theologie zu widmen.

--61-- Wundern wird sich aber auch niemand, der die Beschaffenheit des theologischen Systems kennt, wie es damals auf der Schule nach Hutter´s Kompendium vorgetragen ward, das ein junger Mensch von Nachdenken, den ein Bestreben nach Gründlichkeit seiner Kenntnisse bald auszeichnete, in manchen Teilen jenes Systems vieles Lückenhafte, Unbewiesene und Inkonsequente fand. Indessen beruhigte Er sich auf der Schule durch die Hoffnung, dass Er auf der Universität vollständigere Belehrung und befriedigende Aufschlüsse erhalten würde. Mit dieser Hoffnung und dem Vorsatz, Theologie zu studieren, ging Er im Frühjahr 1775 nach Leipzig. Mit großem Fleiß hörte und trieb Er hier vorzüglich Philosophie, Philologie und Theologie und die wenigen Erholungsstunden, welche Er sich gestattete, wurden in freundschaftlichen Umgange erlebt. Die Güte und Festigkeit seiner Grundsätze verschafften Ihm schon damals die Achtung aller seiner Bekannten; so wie sein Fleiß und sein ganz geregeltes Betragen die Aufmerksamkeit und Gunst einiger, der vorzüglichsten akademischen Lehrer.

--62-- Aber sein Aufenthalt auf der Universität ward ihm bald durch die getäuschte Hoffnung verbittert, sich über seine theologischen Bedenklichkeiten zur genüge belehrt und beruhigt zu sehen. Ja er überzeugte sich immer mehr, das selbst die eigentlichenReligionslehren einer besseren Begründung bedürften, als ihnen gegeben ward, und als Er ihnen zu geben wußte. Das verursachte einen harten Kampf in seinem Innern, ob Er das theologische Studium und die Vorbereitung auf ein Predigt Amt fortsetzen oder aufgeben sollte? Er konnte sich zu dem letzteren teils aus Neigung zum Prediger Stand, teils aus Besorgnis der väterlichen Mißbilligung lange nicht entschließen. Als Er aber zuletzt gewagt hatte, den verewigten D. Morus um eine Privatunterredung übe seine Zweifel und Bedenklichkeiten zu bitten, und Er am Ende derselben auf die Frage ob Er bei seiner jetzigen Denkart auf die symbolischen Bücher schwören könne, mit einen Achselzucken entlassen wurde.

--63-- So schrieb Er mit schweren angstvollen Herzen an seinen Vater um Erlaubnis die Theologie mit der Jurisprudenz zu verwechseln. Sein Vater dachte viel zu richtig um Ihm diese zu verweigern und Ihm bei der Wahl seiner Lebensart Zwang anzulegen. Von nun an hörte Bernhardi zwar juristische Collegia, trieb aber mehr philologische, mathematische und philosophische Wissenschaften und es zeigte sich bald das Er die Jurisprudenz nicht aus Neigung gewählt hatte. Das war auch zum Teil Ursache, das Er im Jahr 1779 eine Hofmeisterstelle in Lyon annahm. Hier lebte er vier Jahre, und die Liebe und Achtung seiner Zöglinge sowohl als ihrer Eltern, welche er fortdauernd erhielt, sind sichere Beweise von der Einsicht und Gewissenhaftigkeit, womit Er sich seinen Geschäften mag unterzogen haben. Die Stunden welche Ihm von seiner Berufsarbeit übrig blieben.

--64-- Auch schon häufig einen Teil der Nacht wendete Er zur Fortsetzung seiner mathematischen Studien und zur gründlichen Erlernung der französischen Sprache an, welche Er auch, nach dem Urteil einiger gelehrten Franzosen, vollkommen rein sprach und schrieb. Mit dem Freunde in Lyon, mit welchem Er seine mathematischen Studien trieb, entwarf Er den Plan zu logarithmischen Tabellen, welche insbesondere für Handelsgeschäfte brauchbar werden sollten, und Er wechselte darüber sogar mit dem berühmten, damaligen Minister Neker einiger Briefe. Doch kann ich seine gehabte Idee nicht näher bezeichnen, da Er mir zu einer Zeit davon erzählte, wo Ihm die deutliche Auseinandersetzung derselben schon allzu anstrengend gewesen wäre. Im letzten Jahre seines Aufenthaltes in Frankreich durchreiste Er einige südliche Provinzen dieses Landes und begleitete alsdann seine bisherigen Zöglinge nach Leipzig zu ihrer anderweitigen Bestimmung.

--65-- Er brachte aus Frankreich eine gewisse Vorliebe für dieses Land, dessen Bewohner und Schriftsteller mit, welche Ihn nicht verlies, und überraschte auch bei einem Besuch in Freyberg die Seinigen mit einem Anstrich von französischer Leichtigkeit im äußeren Betragen, der aber sehr bald wieder verflog. Beides aber ohne Schaden der Solidität, welche den Grundzug seiner Kenntnisse und seines Charakters ausmachte. Von Leipzig ging Er nach Wildenfels in das Sächsische Erzgebirge und übernahm die Führung des Grafen Mengden aus Liefland, der bei seinem Onkel, dem verstorbenen Grafen v. Solms - Wildenfels lebte. Er bezog aber bald mit seinem Eleven die Universität zu Leipzig, doch nicht ohne auch in Wildenfels ein sehr geneigtes Andenken zu hinterlassen. In Leipzig hielt Er sich abermals beinahe zwei Jahre auf, bis Er den Grafen Mengden nach Liefland zurück brachte. Dort übernahm Er in Riga im Jahr 1786 die Hofmeisterstelle bei den Söhnen der Frau Generalin von Naumhoff.

--66-- Nach seiner Überzeugung war eine Hofmeisterstelle keine Interimsversorgung, wobei man das Geschäft des Unterrichts und der Erziehung als ein Nebenwerk und die eigne bequemere Existenz als die Hauptsache betrachten könnte. Er sah die Bildung von Jünglingen, welche zumal künftig in einen großen Wirkungskreis treten sollen, für das wichtige Geschäft an, was es wirklich ist und widmete demselben fast ausschließend den ganzen Tag. Da Er aber eine viel zu warme Liebe zu den Wissenschaften hatte, um bei dem, was er bereits wußte, stehen bleiben zu wollen; so wendete er die halben Nächte zu seinem eignen Studieren an, und bemächtigte sich auf diese Weise unter andern der Kantischen Philosophie, welche für Ihn das höchste Interesse bekommen hatte und behielt. Nur durch diese Philosophie bekam sein Glaube an die wichtigsten Religionswahrheiten die Festigkeit, nach welcher Er seit den Schuljahren vergeblich gerungen, und die bei ihm selbst da sich nicht gefunden hatte, als ihm der große Unterschied zwischen Religion und theologischen System deutlich geworden war.

--67-- Auch behauptete Er, das ihm die moralische Leitung seiner Eleven weit besser gelungen wäre, nachdem Er im Unterricht und bei nötigen Zurechtweisungen das Kantische Moralprinzip satt des eudämonistischen befolgt habe.
So groß aber der Gewinn des Nacht studieren für die intellektuelle Bildung für die Beruhigung und selbst für die Berufsgeschäfte Bernhardi´s sein mochte; so hat es sich doch durch die Folgen von einer anderen Seite als sehr traurig gezeigt. Er legte dadurch unstreitig den Grund zu der Schlaflosigkeit und Auszehrung, welche Ihn vor der Zeit aus dem Kreise seiner Freunde und Verwandten, und seines gelehrten und bürgerlichen Wirkens herausriss.

--68-- Diese Wirkungen des nächtlichen Studieren sind zu gewöhnlich und natürlich, als das ich sie erst in dem gegenwärtigen Fall wahrscheinlich zu machen brauchte und bei der großen Anstrengung, welche Er sich bei dem Studieren ergab, mußten sie noch sicherer eintreten. Denn Er gehörte nicht zu den Köpfen, welche mit Schnelligkeit das Ganze übersehen und mit Leichtigkeit fassen; Er mußte Schritt vor Schritt gehen und sich mühsam in alles, was Er lernen wollte, hinein arbeiten. So oft Er schon in Riga über Mangel an Schlaf klagte, so hatte dieser doch damals weder einen merklichen Einfluss auf die Lebhaftigkeit in seinen Geschäften und in seinem Umgange, noch störte es ihn im Genusse der mancherlei Annehmlichkeiten, welche ihm die Verhältnisse des Naumhoffschen Hauses darboten. Unter die für Ihn erfreulichsten Ereignisse gehörte eine Reise seiner Prinzipalin nach Petersburg und Moskau, wohin Er sie mit ihren Söhnen begleitete.

--69-- Diese Reise gewährte Ihm aber nicht allein viel Vergnügen, sondern sie ward auch in so fern für Ihn bedeutend, als sie Ihn in dem Entschluss bestärkte, seine pädagogischen und statistischen Beobachtungen über Russland genauer anzustellen und nieder zu schreiben, und so die Materialien zu diesem sehr geschätzten Werke zu sammeln, das Er in den Jahren 1798 und 99 zu Freyberg, und zwar wegen der damaligen Zeitumstände anonym herausgab: Züge zu einem Gemälde von Russland unter Katharina der Zweiten. Im Jahre 1795 verlies Bernhardi das Naumhoffsche Haus und Riga. Auch Er hatte diese Stadt, wie es bei so vielen Sachsen der Fall ist, sehr lieb gewonnen und sprach jederzeit mit großer Wärme von seinen dortigen Freunden und Gönnern.

*) In Briefen, 1r Th. 304. 2r Th. 394 S. in 8v. in der Crazischen Buchhandlung Ldpr. 1 thlr. 16 gr.

--70-- Einen starken Beweis von der Achtung und Liebe, welche er sich zu erwerben wußte, gab Ihm der Eine seiner gewesenen Eleven ein paar Jahr nach seiner Rückkehr nach Sachsen. Er machte Ihm, ohne das hierüber zuvor das geringste bestimmt worden war, einen jährlichen Gehalt von 200 Thaler auf Lebenszeit aus; ein Vorteil, der zwar bei auswärtigen Hofmeister Stellen nicht so selten als bei sächsischen ist, aber doch sonst einen jedes maligen Akkord voraussetzte. Bernhardi wählte nun Freyberg und das väterliche Haus zu seinem Aufenthalt, bis es ihn gelingen würde, irgendwo in seinem Vaterland nach seinen Wünschen angestellt zu werden. Er machte zu diesem Zweck mancherlei Versuche, aber vergebens, worüber man sich auch bei unserer Verfassung, welche jedem, der das gebahnte Gleis verläßt, die Anstellung sehr erschwerte, nicht wundern kann.

--71-- Während dieser Zeit schrieb Er die mit allgemeinem Beifall aufgenommene: Gemeinfassliche Darstellung der Kantischen Lehren über Freiheit, Sittlichkeit, Gottheit und Unsterblichkeit, welche 1796 und 1797 in zwei Teilen heraus kam.*) Er arbeitete an diesem Werke mit großem Interesse; denn wie er selbst nur durch die kritische Philosophie Beruhigung gefunden hatte; so hoffte er sie durch sein Buch auch andern zu geben, welche nicht Zeit oder Kraft genug hätten, um diese Philosophie aus den Quellen zu studieren. Aber Er arbeitete auch mit einem großen Aufwand von Lebenskraft, oft bis zu einem der Ohnmacht nahen Zustande. War ihm das Schwerste war, die Gemeinfasslichkeit, zeichnet in der tat dieses verdienstliche Werk vorzüglich aus; aber dieser Vorzug kostete ihm auch die Ruhe mancher Nacht, ob Er gleich diese jetzt selten zur Arbeit anwendete.

*) Freiberg in der Crazischen Buchhandlung, 8v. 598 S. Ldpr. 1 Thlr. 16, gr.

--72-- Aber wenn Er mir z.B. auf dem Spaziergang eine Idee mitgeteilt hatte, und ich die Darstellung, welche Er ihr geben wollte, nicht sogleich ganz billigte oder für ganz fasslich hielt; so beschäftigte ihn das Bestreben eine noch leichtere zu finden, so lebhaft, das Er des nachts nicht davor schlafen konnte. Zugleich beunruhigte Ihn die Sorge für sein Unterkommen nicht wenig und machte Ihn oft ganz niedergeschlagen. Es verschloss sich eine Aussicht nach der anderen und Er nahm daher endlich das Anerbieten seines alten und geschätzten Freundes, des Herrn Oberberg Amtssekretär Köhler, damaligen Besitzer der Crazischen Buchhandlung, ihm einen Teil derselben zu überlassen, freudig an, und zwei Jahre darauf, da sein Freund wegen gehäufter Geschäfte und Amtsverhältnissen immer weniger für Verlags- und Handlungsgeschäfte tun konnte, übernahm er jene Handlung ganz allein. Er entsagte dabei Anfangs so wenig schriftstellerischen Arbeiten, das Er, wenigstens den zweiten Teil des oben erwähnten statistischen Werkes über Russland in dieser Zeit ausarbeitete;

--73-- und als Er auf die Erscheinung des ersten Teils ein sehr schmeichelhaftes Schreiben von dem Herrn Obristlieutenant v. Zach und eine Einladung zur Teilnahme an den geographischen Ephemeriden erhielt; so entwarf Er auch mehrere Aufsätze für dieses Journal, von denen aber nur einer zu Stande gekommen und gedruckt ist.*) Auch lieferte Er seit 1798 mehrere Rezensionen von pädagogischen, so wie von historischen, geographischen und statistischen Schriften über Russland in die Jenaer Allgemeine Literaturzeitung. Allmählich beschäftigte Ihn aber die Buchhandlung immer stärker, und Er besorgte die Geschäfte derselben mit so viel Einsicht, Fleiß und selbst mit so viel Gelehrsamkeit, dass sie auf einen solideren Fuss kam und mehrere Verlagsbücher an innerem Werte gewann.

*) Über den Hang der Russen zum Trunke, S. geogr. Ephemeriden, 1797 August; S. 81-96 und unter der Rubrik XV abgedruckt ist.

--74-- Hierbei nahm denn aber seine Gesundheit nicht zu, ob er gleich bis ungefähr um Ostern 1799 über kein bestimmtes Übel, außer von Zeit zu Zeit über Schlaflosigkeit klagte. Um die benannte Zeit bemerkte Er eine kleine Verhärtung an der rechten Seite des Halses hinter dem Ohr, worüber Er auch bald mit seinem Arzt sprach, der Ihm zerteilende Mittel vorschrieb. Als diese ohne Wirkung blieben und die Verhärtung zunahm, reiste er im Sommer desselben Jahres nach Leipzig, um den berühmten Chirurgen Dr. Eckhold zu konsultieren, der Ihm noch einige andere äußere Mittel vorschlug, aber schon ziemlich bedenklich die Achseln gezuckt hatte. Diese Mittel blieben ebenfalls fruchtlos und der Tumor wuchs je länger, je mehr. Er ging deswegen im Herbst nach Dresden und zog den sehr geschickten und bekannten Chirurgen Prof. Weiße zu Rate, welchem Er schon kurz vorher in Freyberg sein Übel gezeigt hatte.

--75-- Dieser erklärte sich beide Male zur Operation, doch gab er, auf Bernhardi´s Äußerung eines heftigen Abscheu´s dagegen noch vorher mehrere Mittel zum äußeren und inneren Gebrauch, und Bernhardi bediente sich auch beider, der letzten erst zu Anfang des Jahres 1800 nicht mit Zustimmung seines Arztes, des Herrn Dr. Hennigs. Vielleicht zufällig, vielleicht durch die heftige Wirkung des Schierlings, Antimoniums u.s.w. bekam er, gerade als er zur Ostermesse 1800 nach Leipzig reisen wollte, das erste mal einen starken Fieberanfall; der indessen bald vorüber ging und ihn weder an der Reise noch an seinen Messegeschäften hinderte. Er konsultierte hier nochmals den Herrn Dr. Eckhold und auch den Herrn Dr. Kapp, deren Rat dahin ging, nichts weiter zu brauchen, in der Hoffnung, das der Tumor nur bis zu einer gewissen Größe wachsen und ihm eine leidliche Existenz gestatten werde. Eine Operation sei nur im höchsten Notfall vorzunehmen. Mit dem Entschluss, diesen Rat zu befolgen, kam er von Leipzig zurück und brachte den Rest des Frühjahrs und den Sommer ganz erträglich hin; obgleich die Schwulst immer zunahm, und von Zeit zu Zeit leichte Fieberanfälle merkbar waren.

--76-- Wir hofften das Beste, und in dieser Hoffnung wollte Er seine Verheiratung nicht länger aufschieben, welche Er längst gewünscht hatte und die bereits seit einem Jahr eingeleitet war. Seitdem durch Übernahme der Buchhandlung sein Aufenthalt in Freyberg bestimmt, und Ihm nach dem Tode seines Vaters das väterliche haus von seinem Geschwister überlassen war, hatte er mir oft gesagt: er wünsche herzlich eine Gattin zu finden, denn er fühle, das es Zeit für ihn sei, sich zu verheiraten. So angenehm ihm die häusliche Gesellschaft seiner beiden sehr gebildeten Schwestern war, von welchen die Jüngere*) ihm selbst wissenschaftliche Unterhaltung gewährte.

*) Diese Demoiselle Eleonore Bernhardi welche in Freyberg ein sehr wohltätiges Institut für junge Frauenzimmer etabliert hat, ist bekanntlich die Verfasserin folgender mit Beifall aufgenommener Schriften:

1) Ein Wort zu seiner Zeit. Für verständige Mütter und erwachsene Töchter; herausgegeben von K. G. Sonntag, Freyberg in der Crazischen Buchhandlung, 1798, 21 1/4 Bogen, in 8v. 20 gr. , 308 Seiten.

2) Julie und Friederike, von Philogyn. Freyberg ebend. 1799; 368 S. in 8v. 20 gr.;

3) Ungewöhnliche Menschen in gewöhnlichen Begebenheiten, Freyberg, ebend. 1800; 26 Bogen, in 8v. 1 Thlr.

--77-- Wie sie denn auch dankbar einen Teil ihrer wissenschaftlichen Bildung Ihm zuschreibt; so empfand er doch jene Leere, welche alternde Garcons als einen Ruf der Natur nie ohne Folgsamkeit bemerken sollten. Bei den Unterredungen hierüber erklärte Er sich einst, das Einer seiner liebsten Freunde in Riga, der jüngst gestorben sei, eine Witwe hinterlassen habe, welche er sehr hoch schätzte, und wegen der Bildung ihres Verstandes und Herzens zur Gattin wählen würde, wenn nicht seine und ihre Vermögensumstände, die große Entfernung und andere Schwierigkeiten ihm den ernstlichen Gedanken daran unmöglich machten.

--78-- Indessen mochten doch ein Jahr später mehrere Äußerungen seiner Wünsche in seine Briefe an Sie eingeflossen sein, und beide näherten sich dadurch und durch den größeren Mut seiner Geliebten bald in so weit, das ihre Verbindung beschlossen ward. Das geschah vor der oben angeführten Ostermesse 1800. Als ihn zu dieser Zeit der erwähnte Fieberanfall sehr besorgt um seine Gesundheit gemacht hatte, schrieb er noch umständlicher über dieselbe an seine Verlobte, welche ihm aber meldete, das sie bereit sei, Gefahren und Leiden mit ihm zu teilen, und das die Anstalten zu ihrer Reise nach Sachsen schon getroffen wären. Wie Er diesen Brief erhielt, hat Er gerade den meisten Grund zu vermuten, das sein Übel nicht besser, aber auch nicht schlimmer werden würde.

--79-- Er suchte daher die Reise seiner Geliebten nicht zu verhindern, welches auch ohnedies wegen der Entfernung sehr schwer war.*) Sie kam zu Anfang des August nach Sachsen, fand sein Aussehen nicht so schlimm, als Er es geschildert hatte, sprach Ihm Mut und Hoffnung ein, und reichte Ihm mit dem Gelübde, Gutes und Böses gemeinschaftlich mit ihm zu ertragen, ihre Hand, welche ich am 24sten August mit der seinigen feierlich verband. Ach die Wochen der frohen Hoffnung dauerten nicht lange! obgleich für die Verbundenen noch länger, als für Ihre Freunde. Je näher der Herbst kam, um desto stärker ward periodisch die Schwulst am Halse des guten Bernhardi und das Fieber dabei immer merklicher.

*) Sie hielt sich damals wieder, nämlich nach dem Ableben ihres ersten Mannes, des Direktors Adolphi, bei ihrem kürzlich ebenfalls verstorbenen Vater, dem Probst Bumbach zu Durben in Curland auf.

--80-- Bei einer Beratschlagung um diese Zeit mit dem Professor Weiße äußerte dieser sehr bestimmt, es sei nunmehr der höchste Notfall da, wo eine Operation der Tumors nicht länger verschoben werden dürfe. Noch schauderte der Kranke vor dieser Nachricht zurück, und noch hoffte Er auf eine Beschränkung seines Übels in gewissen Grenzen, worin er zu ertragen sein würde. Nur die periodische Rückkehr des Fiebers, welche ihn nun jedes mal auf die Stube einschloss, und die Überzeugung, welche man Ihm gab, das Fieber werde von dem immer stärkeren Druck des wachsenden Tumors auf die Hauptadern und Hauptnerven des Kopfes verursacht, bewirkten den bestimmten Entschluss, sich Operieren zu lassen. Es konnte Ihm nicht unbekannt sein, das die Operation gefährlich und von einem ungewissen Ausgang war. Er ordnete daher seine Angelegenheiten, schrieb seinen letzten Willen in einem Brief an seine Gattin nieder, und meldete dem Prof. Weiße nach Dresden, das Er ihn nun sobald als möglich erwarte.

--81-- Das war spät im Dezember. Weiße kam den 21sten und Bernhardi nahm mit Rührung, aber ohne heftige Erschütterung, einen für seine Freunde bangevollen Abschied von ihnen. Mir übergab Er jenen Brief an seine Gattin. Unvergesslich werden mir dieser und der folgende tag sein. Aber was wir, seine Angehörigen und Freunde empfanden, empfand mit uns, wenn auch in einem geringeren Maße, die halbe Stadt, welche um diese Operation wußte, und die bei der großen Achtung, worin der Leidende stand, schon bisher die größte Teilnahme bezeugt hatte. Die Operation dauerte drei Stunden, und war nach der wiederholten Aussage des seit lange tätigen und erfahrenen Operateurs, die größte und schwierigste welche er vollendet hatte. Sechzehn Nervenäste mußten durchschnitten, und fast eben so viel kleine Arterien unterbunden, die Hauptarterie ganz entblößt, drei Drüsen ganz herausgeschält, zwei große Muskeln ordentlich präpariert werden.

--82-- Diese schreckliche Operation hielt Bernhardi mit einer Standhaftigkeit aus, welche der Operateur noch von keinem Manne gesehen zu haben versicherte. Aber fast noch mehr erregte die Gattin Bernhardi´s die allgemeine Bewunderung, welche nicht von seiner Seite wich, und bei den schrecklichsten Gefühlen die Kraft behielt, ihn auf das sorgsamste zu unterstützen. Die Operation war glücklich vollbracht, und nachdem die Besorgnis eines Nervenfiebers, welches uns die Weihnachtsfeiertage hindurch ängstigte, vorüber war, ging die Heilung der Wunde unter der leichten und sorgsamen Hand des Oberfeldscher bei der Artillerie Herrn Scheibner, einen zwar langsamen aber sicheren Gang, nur, das sich mit unter einige Zufälle zeigten, von denen man nicht wußte, woher sie kamen und wodurch sie endigte. Bernhardi befand befand sich nach zehn Wochen ungefähr 12 Tage so gesund, das Er und seine Freunde den Entschluss der Operation segneten und wir uns seines Lebens und seiner zurück gekehrten Gesundheit auf´s innigste freuten.

--83-- Leider war diese Freude von kurzer Dauer. Nach zwölf Tagen zeigte sich auf einmal wieder Fieber. Und dieses Fieber, gegen welches der einsichtsvolle, unermüdete und freundschaftliche Arzt alle Mittel der Kunst vergeblich aufbot, kam von nun an, nach immer kürzeren Zwischenzeiten von 14, 12, 10 und weniger Tagen unausgesetzt wieder. War ein periodischer Anfall vorüber, so sammelte der Kranke von Tag zu Tag mehr Kräfte, und wenn Er sich am kräftigsten fühlte, trat der Paroxysmus aufs neue ein. So erklärte sich das Fieber bald für ein hektisches, mit der sehr sonderbaren Erscheinung der periodischen Paroxysmen und besseren Intervallen, und nach meiner jetzigen Ansicht der ganzen Krankheitsgeschichte als unabhängig von dem Tumor am Halse, der wahrscheinlich ein bloß zufälliges Übel war.

--84-- Noch konnte der Kranke zwar die Messe bereisen und einen Teil der Messegeschäfte besorgen, aber er kam sehr angegriffen nach Freyberg zurück, und konnte von nun an nur wenig mehr ausgehen. Das Ausfahren gab ihm noch die einzige Erholung. Auf diese Weise brachte er den ganzen Sommer und einen Teil des Herbstes hin, ward mit jedem Fieberanfall geschwächter und fasste in jeder besseren Zwischenzeit, wie es bei hektischen Personen gewöhnlich geschieht, neue Hoffnung; bis er nach einem im September des Jahres erfolgten Auflodern der Lebensflamme in eine solche Entkräftung verfiel, das Er überzeugt ward: Er könne nicht lange mehr leben, und nun mit seiner Gattin, was Er bisher immer vermieden hatte, über den Tod und Trennung sprach. Diese hatte sich Ihm durch Ihre zärtliche Liebe, ihre unermüdete Fürsorge, ihre Tag und Nacht mit gleichem Eifer fortgesetzte Pflege, ihre geschickte Tätigkeit in seinen Handlungsgeschäften und durch viele andere vorzügliche Eigenschaften unaussprechlich teuer gemacht, und die Sorge um sie beschäftigte Ihn nun unaufhörlich.

--85-- Sie selbst ward auf das tätigste und liebevollste durch die beiden Schwestern Ihres Gatten unterstützt, welche mit der wärmsten Liebe und Achtung an Ihrem Bruder hingen, und mit dem unglücklichen Paare eine Familie ausmachten. Es war angreifend für den Fremden in die Mitte dieser jetzt so unglücklichen Familie zu treten. Was mußten Freunde empfinden, welche mit den Verhältnissen derselben und den Gefühlen jedes Mitgliedes bekannt waren, und jeden Blick zu deuten wußten! Dieser Zustand dauerte über einen Monat. Nach großen empfindlichen Beschwerden entschlief der redlichste Gatte, Bruder, Freund und gewiss einer der besten Menschen am 27sten Oktober in einem Alter von noch nicht 45 Jahren. Er entschlief mit der Ruhe und Ergebung eines Weisen, nachdem Er einen harten Kampf mit der Liebe zum Leben gekämpft hatte.

--86-- Er gab bei seiner Krankheit und seinem Sterben zwei sprechende Beweise, wie viel das Gefühl der Pflicht bei ihm vermöge. Bei dem ersten Vorschlag einer Operation entsetzte er sich so sehr, das er einer Ohnmacht nahe kam. Er äußerte nachher häufig seine Furcht vor körperlichen Schmerzen. Als Er aber überzeugt war, nur die Operation könne sein Leben fristen; so hielt Er es für Pflicht, sich ihr zu unterwerfen, und nun war er im Stande nicht nur jene Furcht zu unterdrücken, sondern auch unter der Hand des Wundarztes den höchsten Grad des Schmerzes zu ertragen, ohne sich halten und ohne fast eine Äußerung des Schmerzes laut werden zu lassen. Mit der Überzeugung, das es Pflicht sei, sein Leben zu erhalten, verband sich aber auch bei ihm eine starke Liebe zum Leben, und diese ward immer stärker, je mehr Er schon um deren willen geduldet hatte. Es kam dazu, das ihn die Liebe zu seiner Gattin, zu seinem Geschwister und seinen Freunden, und selbst der gerechte Wunsch, die Früchte seiner Anstrengungen für seinen gewählten Beruf zu genießen, noch mehr an das Leben fesselten.

--87-- So lange Er daher genesen und leben zu können hoffte, versetzten ihn die wiederholten Fieberanfälle in einem Zustand der Ungeduld; und Er war, so lange sie dauerte, ganz gegen seine sonstige Stimmung gereizt und reizbar. Nachdem Er aber überzeugt war, sein Leben könne nach solchen zerstörenden Paroxysmen nicht mehr lange dauern und Er es für Pflicht ansah, sich zu unterwerfen; so konnte Er mit seiner Gattin ruhig über seinen Tod sprechen. Er kämpfte die Anhänglichkeit ans Leben nieder und nahm sich nur in Acht eine erschütternde Szene mit den Seinigen zu veranlassen. "Ich sehe wohl, was in euch vorgeht," sagte Er zwei Tage vor seinen Tode, "in mir arbeitet s auch; aber ich brauche Ruhe." Seine Liebe zum Leben war übrigens kein Beweis seines schwankenden Glaubens an Fortdauer und Unsterblichkeit. Nur das Er bei dem geringen Maß von Einbildungskraft, welche andere in den Stand setzt, sich an Bildern künftiger Freuden zu ergötzen, von jenem Glauben nicht immer gleich erwärmt und über den Verlust dessen, was Ihm sinnlich gewiss war, beruhigt ward.

--88-- Doch sprach Er auch bisweilen mit großer Lebhaftigkeit darüber. Als ich Ihn an dem Jahrestag seiner Heirat besuchte, wo Er gerade einen der heftigsten Fieberanfälle überstanden hatte, fand ich Ihn wider Erwarten gestärkt und heiter. Er erinnerte sich selbst seines Trauungstages, fasste mit der innigsten Liebe die Hand seiner tiefgerührten Gattin und ergoss sich in Lobsprüche ihrer Vorzüge und des Glücks, das Ihm durch ihren Besitz zu Teil worden sei. "Solche Augenblicke" sagte ich zu ihm, "beleben unsere Hoffnung auf Fortdauer und Wiedersehen stärker, als es keine Philosophie je vermag!" Ja! antwortete Er mir mit der größten Wärme, "das fühle ich im Innersten!" und verbreitete sich nun über diese Hoffnung mit einem Feuer und einer Anstrengung seiner Kräfte, die mich fast besorgt für ihn machte.

--89-- Übrigens hat Er seine Überzeugungen von der Religion und seine moralischen Grundsätze in dem oben angeführten Werke niedergelegt, und sein Leben war in der genauesten Übereinstimmung mit denselben. Was ihm als Recht und Pflicht erschien, das übte Er, wie groß auch die Opfer sein mochten, welche es Ihm kostete. Bei aller Strenge aber gegen sich selbst, war Er sehr billig im Urteil über andere; nur jede Art von eigentlicher Ungerechtigkeit und Bedrückung empörte Ihn, so wie Ihn Heuchelei und Falschheit gewiss auch von dem sich zurück ziehen hieß, von dem Er Vorteile erwartete. Mit der Billigkeit im Urteil verband Er eine seltene Bereitwilligkeit anderen zu dienen und ihnen aus Not und Verlegenheit zu helfen. Er hat für andere Summen aufgeopfert, die keinen unbeträchtlichen Teil seines mühsam ersparten Vermögens ausmachten.

--90-- In seinem äußeren Betragen, so wie im geselligen Umgange war Er sehr gefällig, und wenn Er gleich, vielleicht aus
Widerwillen gegen alles bloße Scheinen und alle Verstellung nicht jenes geschmeidige Nachgeben und jene Politur des Tons und Benehmens hatte, die sonst die Folge des Umgangs mit der großen Welt, den Er in Riga gehabt hatte, zu sein pflegt; ja ob Er gleich von einem gewissen Hange zum Widerspruch nicht frei war; so fanden doch Fremde und Bekannte für diese kleinen Mängel reichlichen Ersatz in größeren Vorzügen. Seine Kenntnisse, sein richtiges Urteil, das Interesse, womit Er über wichtige Dinge sprach und die Geschicklichkeit, womit Er auch minder wichtige Dinge in einen interessanten Gesichtspunkt stellte, machten ihn zu einen gesuchten und beliebten Gesellschafter. Seine Vorzüge gaben Ihm in den Augen derer, die ihn genauer kannten, einen noch größeren Wert, denn sie waren fast alle, und zwar mühsam, erworben. Ihm fehlten von Natur die meisten Gaben, denen viele ihre ganze Tugend, Annehmlichkeiten und Kenntnis verdanken.

--91-- Denn Er hatte weder ein sehr glückliches Temperament, noch eine sehr lebhafte Einbildungskraft, noch eine sehr lebhafte Einbildungskraft, noch einen schnellen Witz oder eine große Fähigkeit der Ideenkombination. Durch das, was man einen richtigen und scharfen Verstand und Penetration nennt, und durch anhaltenden, auf seine geistige und moralische Bildung gewandten Fleiß, war Er alles geworden, was Er war. Und Er war der gelehrten und moralischen Welt nicht wenig; den Seinigen und seinen Freunden sehr viel! Sein Andenken wird ihnen ewig teuer bleiben; und ich kann mich nicht enthalten unter dieses kleine Denkmal die bekannten Worte zu schreiben:
--- Ach ! sie haben Einen guten Mann begraben ! Und mir - war Er mehr ! ---

Geschrieben im Dezember 1801. M. S. G. Frisch.

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--92-- Nachschrift des Verlegers.
Obiges Denkmal des Herrn M. Frisch unterschrieb ich mit ganzer Seele. Oh es war eine schöne Zeit, als ich vor 30 Jahren in Bernhardi´s freundschaftlichem Umgang oftmals sah sich röten den Tag und schimmern die Nacht!
Als 20 Jahre nachher Er sich wieder in seinem väterlichen Lande setzte, war die Erneuerung des Umgangs doppelt süss; wir entwarfen manche literarische Pläne, die aber durch seinen frühen Tod bald scheiterten. Und nimmer hätte ich geglaubt, das ich noch Bernhardi´s Geschäfte, die ich schon längst von beiden Seiten kannte, würde übernehmen müssen! Doch kam es ganz wider meine Absicht so. Als die gelobte Frau Witwe nach langen öffentlichen Ausbieten dennoch keinen reellen Käufer fand: so entschloss ich endlich auf dringend Bitten, mich zur Übernahme dieser Buchhandlung, da ich ohnedies schon sehr stark darin verwickelt war. Nach abgemachtem Geschäft ging Sie zu Michaelis 1802 wieder über Leipzig und Berlin nach Stendten in Curland zurück wo sie bei ihrer Ankunft mit ihrem dritten Gatten, dem Ökonomen und Pachtinhaber der Gräflich v. Bringischen Güter, Herrn Catterfeld, getraut wurde, aber schon am 2. Januar 1806 an den Folgen ihrer zweiten Niederkunft gestorben ist. Sie hinterläßt den Nachruf einer geistreichen und klugen Frau. S Freib. gem. Nachrichten 2ten Jahrg. No. 50 und 51 und 7ten Jahrg. No. 15.
Joh. Chr. Fr. Gerlach.

Aus den "Freiberger gemeinnützigen nachrichten", 7. Jahrgang, Nr. 15/1806, Seite 117
Tod von Frau Agnes Charlotte Catterfeld verw. Bernhardi am 6. Januar 1806 in Kurland

Todesfall
Nach einem Schreiben vom 24. Februar aus Curland, starb daselbst zu Anfang dieses Jahres Frau Agnes Catterfeld, an ihrer zweiten Niederkunft. Sie war die Tochter des Probstes Baumbach zu Durben in Curland, und zum ersten Mal an den Direktor Adolphi in Riga verheiratet. Nach dessen Tod verlobte sie sich an den Gelehrten und damaligen Besitzer der Crazischen Buchhandlung, Hrn. A. B. Bernhardi, kam hierauf in Gesellschaft einer Schlesierin, der Demoiselle aus Hirschberg, nach Sachsen, und wurde den 24. August 1800 zu Freiberg getraut. Als ihr zweiter Ehemann nach einem jährigen Leiden; bei welchem sie sich musterhaft benommen hatte; am 27. Dezember 1801 starb, führte sie die Buchhandlung allein fort, bezog selbst die Leipziger Ostermesse 1802 und genoss daselbst die gebührende Achtung aller anwesenden Buchhändler. Nachdem sie jedoch im Sommer 1802 die hiesige Buchhandlung an den Endesgesetzen verkauft und übergeben hatte, ging sie in der Michaelis Messe 1802 wieder über Leipzig und Berlin, nach einem zweijährigen Aufenthalt in Sachsen, mit dem Nachruf einer geistreichen und klugen Frau nach Curland zurück, wo sie ihren dritten Gatten, den Ökonomen und Pachtinhaber des Gräfl. v. Bringischen Ritterguts Stendten, Herrn Catterfeld, heiratete. Die ersten Ehen waren kinderlos, aus der dritten hinterläßt sie eine zwei jährige Tochter.

Gerlach.

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