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"Tippel"-Tour von Hans Ose als 17 jähriger ...-

Rhein/Main
16.07. - 01.08.1930

1. Tag Mittwoch: Grimma - Leipzig - Hof - Lichtenfels - Vierzehnheiligen - Kloster Banz - Staffelstein-Berg - Hersfeld
2. Tag Donnerstag: Hersfeld - Bamberg
3. Tag Freitag: Bamberg - Würzburg
4. Tag Sonnabend: Würzburg - Hettstedt - Birkenfeld
5. Tag Sonntag: Birkenfeld - Windheim - Geiersberg - Weibersbrunn
6. Tag Montag: Weibersbrunn - Aschaffenburg - Frankfurt
7. Tag Dienstag: f
8. Tag Mittwoch: Frankfurt - Höchst - Mainz
9. Tag Donnerstag: Mainz - Gonseneim - Rüdesheim
10. Tag Freitag: Rüdesheim - Niederwald - Lorch
11. Tag Sonnabend: Lorch - Weisel - Loreley
12. Tag Sonntag: Loreley - St. Goarhausen - Kamp - Boppard
13. Tag Montag: Boppard - Lahnstein - Koblenz
14. Tag Dienstag: Andernach - Niedermendig - Maria Laach - Brohl
15. Tag: Brohl - Rolandsbogen - Drachenfels - Bonn
16. Tag: Bonn - Köln
17. Tag: Köln - Kassel
18. Tag: Kassel - Bebra - Leipzig - Grimma

1. Tag: Mittwoch, den 16.7.1930 ab Grimma 5.22 Uhr und ab Leipzig 6.38 Uhr

Den ersten Teil der Bahnfahrt bestritt ich mit Rahma (Anm. Rahm) allein, der am Tag vorher bei mir eingetroffen war.
In Gaschwitz stieg "Brathering" (?) in unseren Zug. In Reichenbach gesellte sich der Dritte im Bunde dazu. Bis Hof hatten wir einen schöne Wagen (zwei junge Damen saßen neben uns), auch hier erwischten wir nicht den schlechtesten.
Die Damen verließen uns in Münchberg, wohin gegen wir drei bis Lichtenfels fuhren. Nach einigen Irrwegen erreichten wir Vierzehnheiligen (Anm. Basilika bei Bad Staffelstein). Hervorragend durch Prunk und Stuck.

Die Straße hinunter durch das weite Maintal erreichten wir den Main und wurden bei Schloß Banz (Kloster Banz Lichtenfels) übergesetzt. Ehe wir selbiges vor Augen hatten mußten wir noch einen steilen Anstieg vollbringen. Die Kirche besahen wir uns ebenso, wie die Umgebung. Die Aussicht war nicht bedeutend. Bald nahmen wir Abschied und tippelten talwärts nach Staffelstein. Staffelstein ist ein reizender Marktflecken mit entzückenden Fachwerkbauten und einen mittelalterlichen Marktplatz (800 Jahre Stadt). Hinter dem Städtchen machten wir eine kurze Eßrast um uns für den Aufstieg zum Staffelstein zu stärken. Erhitzt und etwas ermüdet kamen wir auf dem Gipfel an, auf dem eine kleine Kapelle steht.
Seite 3
Wir hatten einen schönen Rundblick und genossen auf einer Bank die liebliche Umgebung, während sich unter uns wandernde Jugend mit "Baßgeigen" bewaffnet bemühten einen glücklichen Abstieg durch das Felsengewirr zu finden.
Nach ausgiebiger Ruhepause machten wir uns auf, gerade hinunter durch Gestrüpp und stachlige Gewächse einen Pfad zu finden. Unser Ziel war Loffeld. Dort gelang es uns nicht, trotz häufigen Bitten, ein Nachtquartier zu erlangen.
Erst in einem der letztem Häuser von Hersfeld bekamen wir bei einem protzigen Bauern ein Nachtquartier. Seine äußeren schlechten Seiten wog jedoch das freundliche Gebaren der fila hospitalis (Anm. Gastwirttochter) auf, die uns sogar gestattete auf dem Herd zu kochen.

Als Fußgängerweg gekennzeichnet,
wegen fehlender alter Bahnstrecke.

2. Tag: Donnerstag, den 17.07.30

Obgleich wir zeitig fort wollten und der Bauer uns versprochen hatte uns zeitig rauszuwerfen wurde es bis 8 Uhr ehe wir mit waschen und anziehen fertig wurden.
Wir marschierten nun gleich auf die Landstraße um möglichst ein Auto zu erwischen. Nach Elbensfeld gelang es uns ein solches zu kapern, welches uns bis Zapfendorf mitnahm. Dieser verheißungsvolle Auftakt schien sich leider nicht fortzusetzen zu wollen, denn die Fahrzeuge rasten alle an uns vorbei und mit jedem wurde unser Hoffen geringer, unser Durst größer, unsere Spannkraft kleiner, bis wir endlich am Ende unserer Kräfte auf einen Ochsenwagen aufspringen durften und gleich wieder in der besten Laune waren. Allgemeine Verachtung wurde nur den Lastkraftwagenfahrern gezollt, die uns trotz bester Gelegenheit und anständiger Aufforderung nicht mitnahmen. Nach langem Suchen und Marsch kamen wir todmüde in die DJH (Deutsche Jugendherberge).
Ein schönes Blaskonzert entschädigte uns noch für unsere großen Anstrengungen. Das allerdings nicht für uns sondern für die Stadtkoryphäen gegeben wurde, die das neue Heim begutachteten.
Zu unserer Stärkung kochten wir noch schnell Nudeln ab und tippelten dann in die Stadt, um uns einiges anzusehen. Ich hatte die Absicht nach Windorf zu gehen, doch wurde uns unterwegs gesagt, dass es noch 3 Stunden bis dahin wäre, schleunigst machte ich kehrt um mich nach dem Treffpunkt "Maximilians-Platz" zu begeben. Wir waren nicht nach Bayern gekommen um uns das Bier nur anzusehen, denn davon wird der Durst nicht gelöscht, sondern hatten die Absicht von dem köstlichen Nass unsere Kehle zu benetzen. Ein 1/2 Liter wurde diesmal unsere Ausbeute, der uns köstlich mundete.
In der DHJ wurde noch etwas gefuttert und dann krachte man sich in die Falle.

alte Ansichtskarte Bamberg

3. Tag: Freitag, den 18.07.30

Bis halb acht wurde gepennt, danach Kaffee getrunken. Im Laufe des Vormittags setzten wir unsere Stadtbesichtigung fort. Hervorzuheben ist der Dom mit der alten Hofhaltung. In ersteren berühmte Plastiken auffallend: Westchor gotisch, Ostchor romanisch.

Westchor gotisch: Spitzbögen

Ostchor romanisch: Rundbögen

Nachdem wir eingekauft und den langen Weg nach DJH bewältigt hatten, kochten wir unser Mittagsmahl: Kartoffeln und Spiegeleier, es schmeckte tadellos.
Am Nachmittag ging ich an den Bahnhof um mich nach den Zügen zu erkundigen. Es regnete nämlich dauernd, sodass wir beschlossen nach Würzburg mit der Bahn zu fahren. 18 Uhr konnten wir Bamberg verlassen, fuhren schön in den Abend hinein über Schweinfurt nach Würzburg, es war bereits so dunkel und spät, dass wir danach trachteten eiligst mit der Straßenbahn in die DJH zu gelangen.
Es klappte auch alles gut, wenn wir auch dort wegen der fortgeschrittenen Zeit kein Nachtlager mehr bekommen sollten, so genügte uns eben auch ein Nachtlager im Stroh.


4. Tag: Sonnabend, den 19.07.30

Ein herrlicher Morgen lockte uns halb acht aus dem Stroh. Ein Kaffee und frische Semmeln stärkte uns genügend, dass wir uns die Sehenswürdigkeiten Würzburgs betrachten konnten. Die berühmte Aussicht von der Mainbrücke auf Rathaus und Dom nahmen wir als einen der ersten Eindrücke mit nach Hause.

Blick von der alten Mainbrücke

Den Dom besahen wir uns auch noch von innen, wo er allerdings reichlich stilwidrig mit schönen Stuck versehen ist. Außerdem sind in ihm einige Werke von Riemenschneider aufgestellt.
In der Nähe das Neumünster mit dem Grab Walter von der Vogelweide und einem eigenartigen Christus.

Erstes eigenes Foto mit seinen 2 Freunden.


Dann tippelten wir etwas frierend zur Residenz hinaus, ambulierten zunächst dem schönen Park und betrachteten uns das Schloss von allen Seiten, hineinzugehen scheuten wir das Eintrittsgeld.

Etwas Unvergessliches werden wir nur mit dem Besuch von Würzburg verbinden: Der "Jakob" von Nürnberg fesselte uns ein halbe Stunde an seine Bildung. Er brachte uns durch seine derben natürlich muffigen Ausführungen einmal tüchtig zum lachen.

Nach ergiebigen Einkauf speisten wir in der DJH Bratwürste, Kartoffeln, es mundete uns köstlich.
Kitschel? traf nach beendeten Mahl mit einem Bettsack ein.
Nun ging es ans Abschied nehmen. Wir wollten noch einige Karten schreiben, deshalb setzten wir uns in eine Konditorei und spielten die Vornehmen. In anfänglichen Regen und auf der Höhe aufkommenden Sturm wanderten wir nach Hettstadt. Dort fragten wir nach dem Feldweg nach Birkenfeld. Aber mit dem marschieren ging es nicht so schnell vorwärts, denn kurz nach dem Dorf erspähten wir einen Kirschbaum, der jedoch keine ergiebige Ernte ermöglichte. Wir rückten deshalb weiter, nicht weit, denn nach den freundlichen Leuten, die wir um den Weg gefragt hatten, bereits Kirschen geschenkt bekamen, erwischen wir 2 über und über beladene Kirschbäume, die uns eine ganz Weile aufhielten. Die dadurch gehobene Stimmung, ebbte leider durch die Sumpfartigkeit des Weges und dessen Länge wieder ab.
An einer Straße, die unseren Weg senkrecht schnitt und gar nicht in meine Richtung passte, machten wir eine kurze Rast. Gestärkt trat wir den weiteren Weg an, bergauf, bergab, und dann die ersehnte Straße.
Von Birkenfeld ist allerdings noch nichts zu sehen, verheißungsvoll öffnet sich ein geräumiges Tal.
Bauern kommen uns mit Wägen entgegen, doch geben wir auf ihre Zeitschätzungen nicht viel. Auch so erreichten wir unsere Zeit, todmüde, das muss gesagt werden.
Doch wurden unsere unverschämtesten Hoffnungen zur Wirklichkeit, gleich in einem der ersten Häuser bekamen wir Quartier.

5. Tag: Sonntag, den 20.07.30

Von Schlaf und von Kaffee und Brot unserer lieben Wirte gekräftigt, traten wir den Weg nach Korbach an. Nach Hafenlohr setzten wir dann über den Main.
über Windheim (Anm. heute Ortsteil von Hafenlohr), gelangten wir in ein schönes Tal welches sich aufwärts immer schöner gestaltete, vor allem da wir bald in ein Seitental abzweigten.
Die drückende Hitze zwang uns nach einen geeigneten Rastplatz Umschau zu halten. Bald hatten wir einen entdeckt. Ein kleines Wässerchen spendete uns schönes Trinkwasser. Suppen, Nudeln, Zitronenwasser und Brot war unser Mittagsmahl. Wir ließen uns Zeit, ich schrieb eine Karte und packte und packte dann gemütlich ein.
Es war noch ein weiter Weg bis nach Weibersbrunn (ca. 20 km Fussmarsch), wo sich das Tal immer mehr verjüngte, wurde auch der Weg immer schmaler bis er ganz aufhörte zu sein.
An zwei einsamen Gehöften holten wir uns ortskundigen Rat und kamen so ohne uns zu verlaufen auf den Geiersberg (Anm. Der Geiersberg, auch Breitsol genannt, ist mit 586 m ü. NHN der höchste Berg im Spessart. Er liegt zwischen Bischbrunn und Weibersbrunn).
Die erhoffte Aussicht wurde von hohem Wald verhindert, so ließen wir wenigstens oben unseren umsonst vergossenen Schweiß verdunsten. Wir befanden uns immer noch im umzäunten Privatbesitz und im Wald, welchen wir nicht weit von Weibersbrunn verließen, während die Sonne durch die Wolken trat.
Hier ließen wir uns nicht lange abweisen, im Haus traten wir so bestimmt auf, daß den Leuten nichts weiter anders übrig blieb als uns für die Nacht Obdach zu gewähren. Matz blieb Abends zu Hause, er klagte über frösteln. Wir wollten noch Postkarten schreiben, wie ließen uns deshalb im Gasthause "zum Spessart" häuslich nieder (Anm. einen Gashof "zum Spessart" nur im vom Weibersbrunn 4,5 km entfernten Mespelbrunn zu finden).
Ein Liter-Glas Bier steigerten meine Laune etwas, vor allem aber die Witze einer freundlichen Feriengesellschaft.

Birkenfeld - Weibersbrunn

6. Tag: Montag, den 21.07.30

Zwar wollten wir um 6 Uhr aufstehen, doch hielt uns "Freund Morpheus" (der Schlaf) bis halb 8 umfangen, dass wir wieder erst gegen 9 Uhr wegkamen.
Gleich hinter den Dorf aßen wir gekaufte Zuckerwecken und tranken Wasser dazu. Nach kurzer Rast rafften wir uns wieder auf und tippelten in Richtung Aschaffenburg. Erst ging's durch schönen Wald, dann kamen wir auf eine eklige Autostraße, die uns alle Lust zum Wandern nahm. Nicht lange dann krachten wir uns in den Schatten an der Straße stehender Obstbäume, in Erwartung eines aufnahmebereiten Autos. Einige fuhren vorbei, bis ein vornehme Limousine daher kam deren Eleganz uns schier zu verzweifeln schien, doch er stoppt. In Eile hin, einer ließ vor Freude noch seine Feldflasche liegen - ich kriegte sie gerade noch zu fassen. Dann ab nach Aschaffenburg. Als die Straße besser, will heißen der Asphalt glatter wurde, nahm unser freundlicher Fahrer ein angenehmes Tempo auf. Wie elegant und sicher glitt das schöne Gefährt dahin, wie schnell und ruhig überholten wir die eifrig tretenden Radfahrer (80 kmh!).

In Aschaffenburg kamen wir auf den Gedanken mit einem Frachtdampfer zu fahren. Doch mussten wir deshalb noch leider ungefähr eine Stunde tippeln. Alle Mühe war vergebens, entmutigt und entzweit tippelten wir Bahnhof-Aufwärts. Zuvor schoben wir noch in einem Gasthof eine Rast ein, die uns für den weiten Weg stärken sollte. Ein Stunde hielten wir uns da mit Brot essen und Bier trinken auf, trotzdem kamen wir noch zur Zeit an den Bahnhof, ich fand sogar Gelegenheit ein halbes Pfund Stachelbeeren zu essen - etwas sauer. Die letzten Reste ließ ich aus dem Zugfenster gleiten.
In Hanau wurde umgestiegen, wir verpennten es fast, 7 Uhr kamen wir auf dem Hauptbahnhof in Frankfurt an.

Aschaffenburg - Frankfurt/M.

Bei kleineren Pfadfindern erkundigten wir uns nach der DJH, sie rieten uns in die neue zu gehen. Doch schon vorher erfuhren wir durch abströmende Massen, das sie besetzt sei. Ermüdet wie wir waren, beschlossen wir mit der Straßenbahn reinwärts zu fahren. Wir hatten sogar noch das Glück einen freundlichen Schaffner zu treffen, welcher uns bereitwilligst über die Bleibe und Fahrverhältnisse in der näheren Umgebung aufklärte.
Am Hauptbahnhof mussten wir zunächst aussteigen und unser Glück in einer Jugendbleibe (für Walzbrüder) versuchen. Ausnahmsweise wurden wir aufgenommen. Wir würden sofort auf Kleinvieh untersucht und erhielten anschließend ein warme Dusche, Abendbrot (recht reichlich) wurde uns auch geliefert, sodass wir dankbar einem gütigen Geschick in der modern ausgestatteten Herberge einschliefen.


7. Tag: Dienstag, den 22.07.30

6 Uhr wurden wir aus den Federn gewedelt. Erhielten Kaffee und Brot, putzten uns die Schuhe mit Herbergsfett und konnten dann gehen. Vom Bezahlen war keine Rede. In bester Laune bestiegen Rahma und ich die nächste Straßenbahn und fuhren nach der DJH (Matz fühlte sich unwohl und fuhr deshalb nach Hause). Wie bekamen sofort Quartier; Hotelartig, modern, hygienisch, großzügig.
Auf der Hauptpost holten wir Post ab und gingen dann in die Besichtigung der schönen Altstadt. Wir waren angenehm überrascht, beide hätten wir solche Schönheiten nicht in Frankfurt vermutet. Römer, Goethehaus, Dom, Saalbau.

4 eigene Fotos

Römer (zweites Haus von rechts Haus Frauenstein, neben Salzhaus)

Goethe-Denkmal im Innenhof

Dom

Salzhaus (Eckhaus) am Römer

Auf dem reich bestellten Markt kauften wir ein und kochten in der JH ab: Kartoffeln, Spiegeleier und Tomaten schmeckten uns ausgezeichnet.
Gut ausgefuttert schrieben wir im Lagerraum und machten uns dann langsam auf in die Stadt, auf den Bahnhof zu gehen, um uns zu erkundigen wann wir nach Hause fahren könnten. Rahma knobelte sich eine gute Verbindung aus, während ich die Zukunft handeln lassen wollte. Im gemütlichen Tempo, wir kauften noch kurz vor Ladenschluss Butter, tippelten wir nach der DJH.
Zum Abendbrot holten wir uns noch je einen Pott Kakao und aßen uns an Brot und Butter satt.

8. Tag: Mittwoch, den 23.07.30

Bereits um 7 Uhr standen wir auf, denn an dem Tage harrte noch vieles seiner Erledigung. Ich ging auf die Post, holte mein Paket, packte es aus und wieder ein, um es nach Hause zu schicken. Während ich auf dem Fußsteig mit offenen Stadtplan herumdöste, schloss sich nur ein freundlicher Herr an, der mir einige gute Ratschläge für den Weg gab. Außerdem unterhielten wir uns noch von meiner Wanderung. Nach langer ermüdender Tippelei (der Affe drückte entsetzlich) kam ich am Flugplatz an, wo mich Rahma bereits erwartete. Bald erwischten wir einen Pferdewagen und als dieser von der Straße abbog einen Traktor mit Anhänger, welcher uns bis Höchst mitnahm. Von hier tippelten wir Autostraße bis Sindelfingen, hinter dieser Ortschaft nahm uns ein Lieferwagen mit, aber leider nicht weit, schon in Hattersheim setzte er uns ab und überließ uns unseren Schicksal, daß sich nun aus nichts als Tippeln zusammensetzte. Hinter Weilbach machten unsere Knochen nicht mehr mit, wir rasteten auf einem Feldweg! Kochten uns Pudding und Nudeln, hielten unser Mittagsschläfchen, währen auf der nahen Landstraße die Limousinen einher rasten. Mit froher Zuversicht befanden wir uns bald auf der Straße und sahen uns schon in einem Luxuswagen in Mainz einfahren. Doch als wir einen nach den anderen ziehen lassen mussten, wurden doch unsere Gesichter immer länger, ihr Maximum wurde nach Hochheim erreicht, wo wir einfach in das Gras sanken.

Abends stellte sich beim ausziehen der Strümpfe blaue Blasen am Fuss fest. Die Stimmung näherte sich dem Gefrierpunkt, als wir ganz plötzlich munter wurden. Ein Lastwagen kam, den wir mit unser letzten Energie anhielten. Hei, er nahm uns bis kurz vor Kastel mit. Dort kauften wir Brot und fuhren mit der Bahn nach der DHJ. Hier kochten wir Kakao und schliefen gut bis 7 1/2 Uhr.

9. Tag: Donnerstag, den 24.7.30

Früh fuhren wir mit der Straßenbahn in die Stadt und besahen uns den Dom. Da es noch nicht Zeit zum Essen war, gingen wir noch an den Rhein hinunter und sahen Schnelldampfer manövrieren. In der Volksküche bekamen wir für 40 Pf. ziemlich reichlich zu essen, dass wir satt wurden, dann liefen wir in die DJH und hauten bald ab nach Gonsenheim. Dahinter ging's einen schönen Waldweg weiter nach Budenheim, wo wir nach Walluf übersetzten und da sahen wir den Rhein in seiner ganzen Pracht und Ausdehnung.

So kriegten wir Lust (wir hatten das Laufen sowieso schon wieder satt) mal ein Stück mit dem Dampfer zu fahren. In Eltville bestiegen wir das schöne Schiff "Barbarossa", mit ihm dampften wir bis Rüdesheim. Ein prächtige Fahrt!
In Rüdesheim tippelt wir gleich nach der DJH (1929 erbaut), aßen noch Abendbrot und stiegen dann runter in die Stadt. Am Rhein entlang bummelten wir bis zum Mäuseturm und dann rein ins Rüdesheimer Schloss. Es war zwar recht teuer, aber auch recht lustig. Ein Opernsänger trug fröhliche rheinische Lieder vor. Allgemeiner Gesang und Geschunkel fehlte nicht. Man gab sich sogar gegenseitig die Hände, stieg auf Stühle und Tische und wiegte sich im Takt. Getanzt wurde auch (wir nicht!). Gegen viertel 10 Uhr abends mussten wir leider schon wieder gehen - nicht gehen, sondern rennen im Dauerlauf die Rebenhügel hinan. Um das halbe Kopfgeld (als Strafe für zu spät kommen) kamen wir noch rein und schliefen dann herrlich, der Wein tat sein übriges.

10. Tag: Freitag, den 25.07.30

Früh regnete es. Wir gingen nach dem Frühstück zur Post. Ich hatte eine Karte von meiner lieben Mutter. Dann ging's bei etwas besseren Wetter ab nach dem Niederwald-Denkmal von dem wir eine schöne Aussicht hatten auf Bingen und Bingerloch. über das Jagdschloss gelangten wir nach Aulhausen und zu den Schafhöfen, hinter dem wir Rast machten. Erbsensuppe mit Nudeln wurde gekocht. Nachdem wir 2 Fotos gemacht hatten (fehlen leider) zogen wir weiter nach dem Kammerforst (Anm. Wald und Gaststätte) und nach Lorch etwas mit Regen (Anm. Der Wanderweg vom Kammerforst nach Lorch nennt man auch „Kaufmannsweg").

Kaufmannsweg, beim Austritt aus dem Hochwald der Blick auf den Rhein.

Allerdings war die DJH besetzt. Wir wurden weiter nach der "Hüttenmühle" (Anm. einst Mühle, dann Gaststätte, später Offizierskasino) geschickt, wo wir unsere gesammelten Pilze kochten und mit der "Alten" noch allerhand Witze hatten. Nach Mandolinenspiel legten wir uns gegen 3/4 10 Uhr zu Bett. Schliefen bis früh 1/2 9 Uhr sehr gut.

11. Tag: Sonnabend, den 26.07.30

Wir kamen also erst gegen 10 Uhrfort und tippelten das Sauertal hinauf nach Weisel. Hinter Weisel kochten wir ab und ich hatte das Pech mir die kochenden Suppe auf den linken Fuss zu gießen, sodass ich eine zeitlang ziemliche Schmerzen hatte. Ja wir mussten uns sogar gegen 17 Uhr trennen, da ich nicht mehr laufen konnte. Rahm marschierte nach der Loreley allein. Ich wollte mit dem Auto nachkommen. Dieses kam jedoch erst 19 Uhr, sodass ich mich bald entschloss so gut es gehen wollte nachzuhinken. Ungefähr in einer Stunde erreichte ich die Loreley und brachte Rahm sogar noch einen Becher voll Johannisbeeren mit.
Das Hallo der Wiedersehensfreude war groß. Aus Beeren und Brot bestand unser Abendbrot das wir im Freien einnahmen. Danach gingen wir noch an den Anstand der Loreley und sahen hinab auf den Rhein.

Blick von der Loreley in Richtung St. Goarshausen.

12. Tag: Sonntag, den 27.7.30

Früh regente es wieder etwas. Daher mussten wir eine Zeitlang warten und konnten dann erst den steile Weg von der Loreley hinuntersteigen und am Rhein entlang nach St. Goarshausen gehen. Von dem Rhein machte ich eine Aufnahme.

eigenes Foto

Kurz nach Wellmich machten wir kurze Rast und tippelten dann weiter nach Kestert. Wir nahmen Wasser mit und kochten hinter dem Dorf inmitten von Pfirsichbäumen ab. Von selbigen edlen allerdings noch etwas unreifen Früchten bekamen wir von einem freundlichen Mann auch etwas zu kosten. Wir kochten Nudeln und Erbswurst zusammen.
Nach einer kurzen Rast brachen wir dann nach Koblenz auf und fuhren nach Boppard über, wo wir in der DJH gleich am Rhein ein Notlager bekamen.

13. Tag: Montag, den 28.7.30

Am nächsten Morgen standen wir um 6 Uhr auf. Mein Fuß war jedoch so unangenehm unverschämt, dass er mir nicht gestattete nach Niederlahnstein loszuziehen. Daher trennten wir uns und Rahm tippelte allein los. Ich hingegen kochte mir einen Kakao und blieb dann noch bis gegen 11 Uhr in der DJH und dampfte dann auf dem Rhein nach Niederlahnstein. Hier traf ich bald zu Rahma und ging mit ihm nach Horchheim, wo wir Dr. Alberti eine Karte schrieben und weiter nach Koblenz.

Hier trennten wir uns für immer. Rahm ging noch in der Stadt herum und dampfte dann ab zu seiner "Donna".

eignes Foto von "Rahm"

Ich ging noch nach der Jugendherberge und danach auf die Post, die ich in guter Stimmung verließ, denn ich erhielt 2 Karten von meiner lieben Mutter.
Ich ging dann durch die Stadt über die Mosel zu der Unfallstelle. Dort war vor kurzem eine Brücke zusammen gebrochen und hatte Menschen mit hinab gerissen, die durch Taucher gesucht wurden. Ich machte ein Foto und ging zurück zur DJH.

In der großen Stadt kam ich mir sehr verlassen vor. Allerdings etwas nach 17 Uhr, sodass fast keine Aussicht bestand noch unterzukommen. Ich machte mich deshalb noch mal auf etwas anzusehen, und tippelte dann mit allem an den Bahnhof um nach Andernach zu fahren. Dort kam ich in der Turmherberge gut unter.

14. Tag: Dienstag, den 29.7.30

Wohl gestärkt, doch etwas schlecht zu Fuß tippelte ich auf den Bahnhof, kam gerade 5 min vor Zugabgang an und fuhr bis Niedermendig.

Kurz nach Niedermendig traf ich einen Herrn mit dem zusammen ich ein Stück wanderte und dann etwas weiter von einem Berg, hatte ich eine schöne Aussicht auf den Laacher See, den ich bald erreichte.

Die romanische Marialaacher Kirche (Anm. Die Abtei Maria Laach ist eine hochmittelalterliche Klosteranlage) machte einen friedlichen Eindruck auf mich. Aber durch den schweren "Affen" war ich ziemlich kaputt und machte deshalb bald am See Rast. Ich kochte mir Kakao und aß Brot dazu.

eigenes Foto vom Laacher See

Laacher See heute

Nach ungefähr einer Stunde tippelte ich weiter nach Wassernach. Am Hotel Waldfrieden hatte ich nochmal eine glänzende Aussicht auf Maria Laach und den See. Auf einem Talweg gelangte ich nach "Bad" Tönisstein, nachdem ich im Eisenbahnwagen des Bahnhofs einen Regenschauer abgewartet hatte, erwischte ich einen Wagen nach Brohl.

Ich lag bequem hinten drin. Die Augen meist zur Sonne entgegen blinzelnd. In Brohl erhielt ich ein Nachtquartier. Abends kochte ich nur einen Pudding (Suppenähnlich) und bekam noch freundlich Bratkartoffeln geschenkt, sodass ich gestärkt zu Bett gehen konnte.


15. Tag: Mittwoch, den 30.7.30

Ein feudales Frühstück wie ich es nicht erwartet hätte, bekam ich und kaufte es mit, immerhin gab ich nur 35 Pf. für Semmeln aus, 3 Tassen Bohnenkaffee, Marmelade und Butter. So also voll gestopft tippelte ich langsam "schnell" zum Bahnhof (ohne Uhr) und kam gerade 1-2 Min vor Zugabgang auf den Bahnsteig und fuhr mit dem Zug nach Rolandseck. Von da erreichte ich den Rolandsbogen in kurzer Zeit. Oben hatte ich eine prächtige Aussicht, vor allem auf den Drachenfels, den ich noch zu erklimmen trachtete. Nach dem Abstieg lief ich erst einige Umwege, ehe mich ein Motorboot wohl nach Rhöndorf (unterhalb Drachenfels) brachte.
Der Aufstieg auf den Drachenfels war bald beendet. Die Aussicht noch weiter und schöner als vom Rolandsbogen.

Aussicht vom Drachenfels (neues Bild)

Bei dem Abstieg traf ich 2 freundliche Eheleute, mit denen ich durch das Nachtigallental nach Königswinter
stieg und von hier so dumm (billig) wie möglich nach Bonn fuhr, mit der Kleinbahn 85Pf!! und in die DJH.

Ich bummelte noch etwas in den Hofgarten, an die Universität, wo mich ein Regenschauer überraschte. Nach einiger Zeit als der Regen nachließ, machte ich mich auf um etwas zu kaufen (2 Eier und 1 Brot) was nur in Folge meines Hungers köstlich mundete. Danach hielt ich mich im Tagesraum und erkundigte mich auf dem Bahnhof, dass der Zug 9.53 Uhr nach Köln abging. auf dem Rückweg machte ich die 2. Dummheit, ich aß für 90 Pf. warm. Das war aber soviel, dass ich zum Platzen voll in die JH kam, wo ich mich gleich zu Bett legte und gut einschlief.

16. Tag: Donnerstag, den 31.07.30


Ich frühstückte Brot und Kaffee und nahm mir dann Zeit um auf Umwegen auf den Bahnhof zu tippeln, von wo ich nach Köln abfuhr.
In Köln empfing mich nicht gerade freundliches Wetter. Jedoch war ich bald in der DJH, wo ich lange stehen musste, ehe ich eine Bettkarte erhielt. Dann kaufte ich nur ein Pfund Birnen, die ich als Mittag mit Brot und Rama (Magarine) aß. Ich hatte allerdings etwas zuviel Obst gegessen, denn als ich mir nachher Dom, St. Gereon Kapelle und das Rathaus ansah, machte sich der Magen unangenehm bemerkbar.
Auf der Post holte ich nur eine Karte meiner lieben Mutter ab, die pünktlich und treu geschrieben hatte, wie immer. Dann tippelte ich sofort in die DJH. Vorher hatte ich mir noch die Züge auf dem Bahnhof angesehen, mit denen ich nach Hause fahren konnte.
Auf der Auskunft erfuhr ich nicht viel günstigere. Den Zug 11 Uhr nach Hagen und Kassel suchte ich mir selbst aus.
In der DJH kochte ich mir zu Abend einen ordentlichen Kakao-Pudding, den ich gleich warm aß. Also gestärkt gab ich mich zu Bett und "boofte" sehr gut.

17. Tag: Freitag, den 01.08.30

Zum Morgenkaffee leistete ich mit 3 frische Semmeln und Malzkaffee. Bis ich fortging unterhielt ich mich noch mit einem alten Wanderer, der mir allerhand Nettes erzählte.
Dann kaufte ich mir noch ein halber Pfund Gelee und fuhr 11.02 Uhr ab.
Zunächst ging's bis Hagen im Wald (natürlich alles Personenzug), von wo ich nach kurzen Aufenthalt nach Warburg zu abdampfte. Jedoch einige Stationen vor Warburg bemerkte ein Herr, dass wir am Ende mit dem Personenzug zu spät nach Warburg kommen würden, um den Anschluss zu erreichen. Kurz entschlossen stiegen wir in der nächsten Station aus und veranlassten den Bahnhofsvorsteher den D-Zug nach Leipzig anzuhalten mit dem wir in Walburg noch den Anschluss nach Kassel bekamen. Wenn ich mehr Geld gehabt hätte wäre ich gleich im Leipziger D-Zug sitzen geblieben. So kamen wir mit ziemlicher Verspätung nach Kassel. Dadurch wurde der lange Aufenthalt etwas abgekürzt. Gegen 12 Uhr ging's ab nach Bebra, dort hatte ich dann Aufenthalt bis halb 3 Uhr. Immer wieder schlief ich ein und hätte es bald verschlafen. Mit beschleunigten Personenzug, der von Frankfurt/Main kam ging's in angenehmer Fahrt über Eisenach-Erfurt bis Leipzig. Ein freundliches Frankfurter Ehepaar gab mir von ihrem mitgebrachten Broten zu pickern, damit ich nicht ganz verhungert zu Hause ankäme, wo selbst ich 9.51 Uhr ankam, mich bald im sonnigen Heim sehr wohl fühlend...

Foto ca. 10 Jahre später

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